Die Fagottistin Anina Holland-Moritz und der Gitarrist Stefan Conradi lassen den Eindruck einer „ungewöhnlicher Besetzung“ hier weit hinter sich. Wenn die beiden
ihre Instrumente erklingen lassen, wirkt diese Kombination ganz natürlich. Ihr jüngster Wurf wartet mit interessanten Repertoire-Entdeckungen und Neu-Arrangements für diese Besetzung auf.
Musikantisches Duo
Ziel der beiden Musiker ist vor allem, aus unterschiedlichen Stilepochen und Gattungen einen gemeinsamen Nenner heraus zu destillieren: Edward Edgar erkannte schon
in seinem lyrischen Stück Salut d'amour die Qualitäten dieser Konstellation. Ebenso hatte der „Modernisierer“ der Barockmusik Georg
Philipp Telemann das Potenzial des solistischen Fagotts im Blick. Seine Sonate e-Moll (TWV 41:e5) war ursprünglich für Gambe und Basso Continuo gesetzt, wurde aber hier den musikantischen Qualitäten
dieses Duos angepasst. Der singende, auch in hohen Lagen ausdrucksstark-präsente Ton des Fagotts begegnet in allen Registern und Tonlagen dem artikulationsstarken Gitarrenspiel von Stefan Conrad –
und nicht nur hier. Der wichtigste Faktor beim Musizieren ist das einfühlsame Zuhören, bleibt als Erkenntnis bei diesem Spiel. Also sind die beiden bestens für die Fortsetzung der Reise gerüstet:
Carl Maria von Webers Andante e Rondo Ungarese hat hier durchaus das Zeug, einen sonnigen Frühlingsmorgen zu veredeln. Was darstellerisch
auf diesen beiden verschiedenen Instrumenten geht, beweist die berühmte Arie des Walter von Stolzing aus Wagners Meistersinger-Oper. Auch
hier wird das Fagott als betörende Singstimme allen Verführungsabsichten der Hauptperson gerecht. Eine weitere Repertoire-Entdeckung ist William Y. Hurlstones Sonate in F. Spielerischen, unbeschwerten Umgang pflegt das Duo mit der Gattung der „Programmmusik“: Das Fagott wird gerne mit einem brummenden Bären
assoziiert. Annina Holland-Moritz und Stefan Conradi demonstrieren, was Komponisten wie Johann Wilhelm Ganglberger, Jósef Pécsi und Julius Fucik an charmanten Kabinettstückchen dazu einfiel.
Kultivierte
Leichtfüßigkeit
Bei Marvin Hatleys Honolulu Baby zeigt Stefan Conradi, dass er auch auf der kleinen Ukulele dem
resoluten Fagottsound gewachsen zeigt. Schließlich wird verraten, warum diese CD so heißt: Udo Jürgens schrieb einen Song namens Der Mann mit
dem Fagott zu seinem gleichnamigen Buch und dem Film, in dem es um die Familiengeschichte von drei Generationen der Familie Bockelmann mit genau diesem Instrument geht. Zwar kann und will ein
solches Lied wohl kaum einer Telemann-Sonate das Wasser reichen, aber das stört überhaupt nicht, da Annina Holland-Moritz und Stefan Conradi mit kultivierter Leichtfüßigkeit vor allem eines
demonstrieren: E- und U-Musik sind auch in der Klassik oft kaum voneinander zu trennen.
Die Konstellation Fagott plus Konzertgitarre ist so selten wie plausibel. Und obwohl man hier zunächst ein ungleiches Paar vermutet, demonstrieren Annina Holland-Moritz und Stefan Conradi die hohe
Kunst einer symbiotischen Rollenverteilung. Zusammen gefunden haben beide im Jahr 2010 und bilden seitdem das Ferrara Duo.
Annina Holland-Moritz behandelt ihr tiefes Holzblasinstrument mit so viel artiklatorischer Beweglichkeit und Ausdruckstiefe, dass sich auf Anhieb ein ansteckender Charme entfaltet. Sonor und
raumfüllend lässt sie das Fagott singen. Von nobler Eleganz sind ihre Phrasierungen und der Ton steht frei im Raum, gerne auch mal in orchestraler, voluminöser Breite. Gitarrist Stefan Conradi
erweist sich als Partner und Gegenpol – und nicht zuletzt als „Begleiter“ im allerbesten Sinne. Dezent und lupenrein sind Conradis spielerische Impulse auf dem Saiteninstrument, federnd seine
rhytmischen Akzentuierungen. Und vor allem: Obwohl so dezent und schwerelos kann Conradis Gitarrenspiel dem so „ungleichen“ tiefen Holzblasinstrument Paroli bieten.
Beide haben das Repertoire ausgiebig durchforscht und stießen auf reiches Material für diese Konstellation, obwohl es sich vielfach um Neubearbeitungen, nicht selten auch aus der Celloliteratur
handelt.
Jean Baptiste Sanaillé bringt hier eine französisch geprägte mit einer typisch italienischen Galanterie zusammen. Zwei kurze Sätze mit raffinierten Wechselspielen zwischen Dur und Moll schenken
dieser CD gleich zu Beginn einen empfindsamen Höhepunkt. Mozarts Sonate KV 292 darf hier nicht fehlen, zeigt sie doch, ähnlich wie Mozarts Fagottkonzert, die Vorliebe des Komponisten für dieses
Instrument. Kantabel und von manchmal opernhaftem Spielwitz ist das Resultat seitens des Ferrara-Duos!
Carl Andreas Göpfert ist heute einer eher unbekannter Meister. Von ihm gibt es eines der wenigen Werke, das wirklich im Original für Fagott und Konzertgitarre geschaffen wurde.
Sonatenhauptsatzform und Variationensatz geben den formalen Rahmen für wunderbar hellhörig kreierte Zustände von musikalischer Gelassenheit. Aufschlussreich sind im übrigen auch die
Hintergrundinformationen im Booklet zu diesem „unbekannten“ Komponisten.
Mit einer Donizetti-Arie kommt die Rolle des Fagotts als singende Stimme in ausgesuchten Momenten großer Opern ins Spiel. Annina Holland-Moritz übernimmt hier höchstselbst den Belcanto-Gesang,
wenn sie ihre Luftströme übers Doppelrohrblatt schickt.
Dann ist es Zeit, den Bogen in die Neuzeit zu spannen: Mit einer Romanze von Edward Elgar und sechs Bearbeitungen von alten Folksongs aus der Feder von Ralph Vaugan Williams stellen sich weitere
Farbenwechsel ein.
Über weite Strecken verschafft sich das Fagott als lyrische Stimme Gehör. Dieses Instrument ist aber auch für den humorvollen Ausdruck bestens prädestiniert. Und was passt hier besser als die
berühmte, rhythmisch quirlig auftrumpfende Cake-Walk-Melodie von Claude Debussy über Le Petit Negre – hier lacht das Instrument!
Abschließend wird es sogar etwas jazzig und gesellschaftlich emanzipatorisch zugleich: Denn Over the Rainbow von Howard Arlen, hier in einer Version für Fagott und Ukulele wurde später zu
einer Hymne der amerikanischen Homosexuellen-Bewegung.
Und sogar, wenn Stefan Conradi hier die Gitarre weglegt und zur kleinen, viel filigraneren, sanfteren Ukulele greift, bleibt die Balance in diesem Duo unerschütterlich. Annina Holland-Moritz und
Stefan Conradi sind bis dahin einen gemeinsamen Weg gegangen, wo der eine dem anderen bestens Halt gibt. Hier wird Musik frei, die Klarheit im Kopf und innere Ruhe herstellt, immer ausgesprochen
melodiös und in jedem Moment ohne gleißende Brillanz auskommend!
The Spanish guitar, equally capable of playing melody or providing broken chords for accompaniment, is the ideal complement to the bassoon, an instrument capable of producing warm, mellow, round
and at times even mellifluous tones that belie the instruments appearance. The Ferrara Duo bassoonist Annina Holland-Moritz and guitarist Stefan Conradi have selected 21 pieces by composers from
three centuries, both famous (Mozart, Elgar) and lesser known (Gopfert, Senaille) to convince listeners that there exists quite some repertoire for their instrumental combination.
Annina Holland-Moritz und Stefan Conradi spielen 300 Jahre Musikgeschichte auf Fagott und Gitarre Es gibt Kombinationen, die gibt s gar nicht. Z.B. Fagott und Gitarre. Hat man sowas schon mal
gehört? Kann das gutgehen? Und was spielen die überhaupt? Gibt es für solch eine Besetzung denn Stücke? Eins nach dem anderen. Also: Fagott und Gitarre gehen gut zusammen, was auch daran liegt, dass
beide Instrumente erstaunlich flexibel und anpassungsfähig sind. Es stimmt schon: normalerweise gilt das Fagott als Kobold im Orchester, und so wird es im 19. und 20. Jahrhundert auch gerne
eingesetzt, denken wir nur an den Zauberlehrling von Paul Dukas, in dem das Fagott anfangs das Thema des teuflischen Besens intoniert. Aber das Fagott ist viel mehr als ein Orchester-Troll.
Zuallererst bildet es das Bassfundament im Holzbläserensemble. Obwohl ein Fagott wie ein Stück Holz und etwas Blech aussieht, mit dem Picasso länger gearbeitet hat, straft sein warmer, runder,
biegsamer Ton, der auch bei schnellen Skalen oder in der Höhe nie schrill oder unangenehm wird, sein Aussehen Lügen. Das Fagott ist ein sanfter Riese, der den Ton der Holzbläser golden-warm nach
unten abrundet. Wer das nicht glaubt, der höre die Fagott-Konzerte von Mozart, Weber oder Hummel. Die spanische Konzertgitarre passt dazu ganz hervorragend, weil sie sowohl eine zweite Melodiestimme
als auch das akkordische Fundament liefern kann, über dem der Fagottist bzw. in unserem Falle die Fagottistin sich mit kantablem Schmelz aussingen darf. Also gut, die Kombination passt. Aber das
Repertoire, wie sieht s denn damit aus? Annina Holland-Moritz und Stefan Conradi, die Künstler unserer Aufnahme, haben, um auch die letzten Zweifler zu überzeugen, 21 Stücke von Komponisten aus drei
Jahrhunderten ausgewählt. Damit demonstrieren sie, was eine begnadete Fagottistin und ein hervorragender Gitarrist vermögen. Ihr Repertoire reicht von großen Namen wie Mozart, der ohnehin eine
gewisse Schwäche für das Fagott hatte, Donizetti und Debussy über charmante Frühklassiker wie Romberg und Göpfert bis zu Edward Elgar und Howard Arlens unsterblichem Over the Rainbow aus dem Film Der
Zauberer von Oz mit Judy Garland. Die meisten Stücke auf dieser CD sind Bearbeitungen. Warum? Weil es in der Vergangenheit einfach zu wenige Menschen gab, die zu einem Mozart, Haydn, Beethoven oder
Brahms gesagt hätten: Jetzt schreib mal was für Fagott und Gitarre. Die eine große Ausnahme stellt die Sonate für Fagott und Gitarre op. 13 von Carl Andreas Göpfert dar, und allein deshalb ist sie
hörenswert. Die Sonate B-Dur von Mozart (KV 292) wurde vermutlich für Fagott und Violoncello geschrieben, die Romance op. 62 von Elgar erblickte das Leben als Stück für Fagott und Streichorchester,
und Debussys Le petit Nègre war einmal ein Klavierstück für Schüler, das sich auch heute noch in vielen Klavierschulen findet. Es ist schon richtig: Bearbeitungen in der Musik sind so eine Sache,
aber auch hier kommt es darauf an, wie sie gemacht wurden. Und hier haben wir es mit sehr instrumentengerechten, gut klingenden Versionen zu tun, die die Eigenheiten und Vorzüge beider Instrumente
gut ausnutzen, ohne die Originale zu vergewaltigen. Gute Bearbeitungen können durchaus an das Original heranreichen. Franz Liszts Don Juan-Fantasie, eine Opernparaphrase über Mozarts Don Giovanni,
gilt als ein Musterbeispiel für eine Bearbeitung, die dem Original, in diesem Fall einer komplexen Opernpartitur, vollkommen zu seinem Recht verhilft, obwohl hier nur ein Pianist auf einem Klavier
spielt. Auch Annina Holland-Moritz und Stefan Conradi gelingt dieses Kunststück, auch sie sind in der Lage, großen Musikstücken auf anderen, als den vom Komponisten festgelegten Instrumenten und in
einer anderen Besetzung absolut gerecht zu werden. Das ist keine Kleinigkeit. Und sehr hörenswert.